Franco Evangelisti

*  21. Januar 1926

†  28. Januar 1980

von Juri Giannini

Essay

Evangelisti und die Avantgarden der »Stunde Null«

Evangelistis kompositorischer Werdegang kann im Kontext der Nachkriegsavantgarde durchaus als Sonderfall interpretiert werden: Die aktive Rezeption von Serialismus und Aleatorik, der zwei repräsentativsten und einflussreichsten Idiome der musikalischen Ästhetik der »Stunde Null«, führte ihn zunächst zum Versuch ihrer kompositorischen Überwindung, schließlich aber zum Aufgeben des gewöhnlichen Komponierens. Seine zehn veröffentlichten Kompositionen entstanden (mit einer Ausnahme) zwischen 1954 und 1963 – danach verlagerte er seine künstlerische Recherche in die Publizistik und in die kollektive Improvisation mit dem von ihm mitbegründeten Ensemble Gruppo di Improvvisazione Nuova Consonanza.

In einer Notizia autobiografica, die 1979 veröffentlicht wurde, verknüpfte Evangelisti seine musikalische Sprache mit der Webernʼschen Synthese aus Prägnanz und Kürze und dem avantgardistischen Denken über den Parameter »Klang«. Die Musik und Ästhetik von Edgard Varèse, Ferruccio Busoni und der italienischen Futuristen um Luigi Russolo sah er dabei als Inspiration und Vorbild (Evangelisti 1979, 57). Ulrich Dibelius umreißt diese Auffassung von Komposition mit dem Begriff des »Kondensats«: »Nicht in der Andeutung, in der pointillistischen Impression liegt ihre Besonderheit, sondern in der Verdichtung auf weniges, so als müsse der Widerstand des Schweigens immer wieder erneut überwunden werden, ...